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Susanne Klostermann ist schon lange Schutzgebietsbetreuerin in der Hetter – Millinger Bruch, ein Naturschutzgebiet, das wir gemeinsam mit dem Naturschutzzentrum im Kreis Kleve betreuen (zur Website dieser Biostation). Immer wieder ist sie von dieser Landschaft und den Bewohnern fasziniert. Hier berichtet sie warum.
Was macht die Hetter für dich besonders?
Da ist einmal die weite, offene Wiesenlandschaft. Blüht im April das Wiesenschaumkraut, sind die Naturschutzflächen mit einem weißen Schleier überzogen. Einmalig ist in der Hetter der landesweit bedeutsame Bestand an Uferschnepfen und Rotschenkeln, der größten in ganz NRW. Besonders toll ist, dass die sechs großen Wiesenvögel, die Wiesenlimikolen, zusammen in der Hetter vorkommen: Vier davon brüten hier: Uferschnepfe, Kiebitz, Großer Brachvogel und Rotschenkel. Die Bekassine kommt vermutlich nur noch als Rastvogel auf dem Durchzug und nicht mehr brütend vor. Den Kampfläufer mit seinem außergewöhnlichen Prachtkleid während der Balz. Außerdem haben wir ihn in der Hetter ebenfalls auf dem Durchzug immer eine Zeitlang rastend hier.
Die ehemalige Flussmarsch, angeschwemmtes fruchtbares Land am Flussufer, wird vermutlich bereits seit rund 2000 Jahren im Sommerhalbjahr beweidet. Die Hetter als Nordgrenze des römischen Reiches wurde dadurch vermutlich offen und übersichtlich gehalten. Bis etwa in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde noch auf der Weide gemolken. Mit dem Fahrrad und den Milchkannen am Lenker mussten die Melkerinnen zweimal täglich in die Hetter fietsen. Das heißt die Kühe standen das ganze Sommerhalbjahr über hier draußen.
Warum genau ist die Hetter ein Naturschutzgebiet?
Es ist ein überregional bedeutsames Feuchtgebiet. In der Hetter gibt es landesweit bedeutsame Glatthaferwiesen. Die sind ein geschützter Lebensraum des EU-Schutzgebietsnetzwerks NATURA 2000.
Für den Unteren Niederrhein sind die Sumpfdotterblumenwiesen in ihrer Ausdehnung und Artzusammensetzung einmalig. Geschützt werden sollten hier aber auch rastende und brütende charakteristische Vogelarten des nordwestdeutschen Tieflandes, wie die gerade genannten sechs großen Wiesenvögel und auch der Wiesenpieper, der Rohrsänger, der Steinkauz aber auch der Gelbspötter und Gartenrotschwanz. Das sind Arten, die bei uns selten geworden sind.
Warum sind die Lebensräume und Arten so wertvoll?
Diese und andere Arten finden in der normalen Landschaft keinen auskömmlichen Lebensbedingungen mehr, weil ihre Lebensräume zerstört wurden. Hier im Gebiet wird der Schutz der traditionellen bäuerlichen Kulturlandschaft des Unteren Niederrheins groß geschrieben.
Wie ist der derzeitige Zustand der Hetter?
Neben den besonders gefährdeten Wiesenbrütern wie Uferschnepfe und Rotschenkel gibt es im Naturschutzgebiet auf blütenreichen Feuchtwiesen und -weiden im Vergleich zu intensiv bewirtschafteten Grünländern am Unteren Niederrhein viele Kiebitze. Daran können wir sehen, dass diese Flächen von den Landwirten trotz der großen Herausforderungen mit Erfolg sehr wiesenvogelgerecht bewirtschaftet werden. Als Beispiel: Auf den Flächen, wo Wiesenvögel brüten, mähen die Pächter erst, wenn das Brutgeschäft abgeschlossen ist. Dann ist das geerntete Heu aber nicht mehr für Hochleistungskühe geeignet.
Um zu verstehen, wie das Naturschutzgebiet insgesamt funktioniert, muss man wissen: Momentan wird ein gutes Viertel des Naturschutzgebietes naturschutzgerecht bewirtschaftet, der Rest intensiv. Und die Wiesenvögel haben sich fast vollständig in die extensiv bewirtschafteten Flächen zurückgezogen. Wichtig ist uns daher, dass wir in Nordrhein-Westfalen wie in den Niederlanden eine naturschutzgerechte Bewirtschaftung und den hohen Aufwand für eine Weidetierhaltung deutlich besser honorieren. Nur so kann Wiesenvogelschutz langfristig funktionieren.
Insgesamt ist die Hetter leider, wie viele andere Gebiete auch, derzeit durch Entwässerung, Austrocknung durch die Klimakrise und zu intensive Landnutzung gefährdet. Außerdem setzen dem Gebiet auch Infrastrukturmaßnahmen zu, wie der neu errichtete Windpark in den angrenzenden Niederlanden. Dazu kommen Bahnüberführungen und auch neue und höhere Stromtrassen. So etwas hat massive Auswirkungen, denn sie verkleinern das von Vögeln nutzbare Umland, das zum Teil als Vogelschutzgebiet um die wertvollen Kerngebiete herum ausgewiesen ist. Dadurch wird das Gebiet immer stärker zur „Insel“ und verliert dann langfristig an Bedeutung.
Nicht zuletzt macht uns auch hier die starke Stickstoffbelastung der Böden, die sich über die Luft niederschlägt, Sorgen. Diese Situation bedroht viele Pflanzenarten, die nährstoffarme Böden brauchen. Nährstoffarme Wiesen kämen wiederum dem Vogel- und Insektenschutz zugute.
Was genau machen wir dort?
Für den Naturschutz erworbene Flächen werden an ortsansässige Landwirte zu Bedingungen einer Bewirtschaftung zurückverpachtet, die den Bedürfnissen der Wiesenvögel gerecht wird. Außerdem optimieren wir kleinräumig den Boden- und den Gebietswasserhaushalt und flachen Gräben ab, die sonst zu Todesfallen für Wiesenvogelküken werden können. Auch neu angelegte Senken und Blänken simulieren die ehemalige Dynamik der früheren Überschwemmungsaue vor Errichtung der Deiche. Das erfordert viel Kooperation zwischen den Bewirtschaftern und uns.
Kann man die Hetter betreten oder besichtigen?
Es gibt keine Wanderwege durch die Wiesen und Weiden, aber angrenzend zu den Flächen Wirtschaftswege, die für Radtouren durch das Gebiet genutzt werden können. Im Großen Hetterbogen ist das die heutige Hetterstraße. Hier befindet sich eine Aussichtskanzel, von der aus Besuchende gut ins Gebiet blicken können. Im Kleinen Hetterbogen quert der „Holländerdeich“, der in die angrenzenden Niederlande führt, im Millinger Bruch mit seinen zahlreichen alten Kopfbäumen die Bruchstraße.
Was wünschst du dir für die Zukunft für das Naturschutzgebiet?
Ich wünsche mir ganz dringend, dass der Schutz des Vogelschutzgebietes, welches das Naturschutzgebiet umgibt, endlich ernst genommen wird. Windkraftanlagen im direkten Umfeld sollten schnellstmöglich zurückgebaut, der Flächenerwerb zugunsten des Naturschutzes weiter vorangetrieben werden. Bei der Planung von Infrastrukturmaßnahmen sollten die erforderlichen Abstände zum Gebiet eingehalten werden. Und dann hoffe ich, dass der Gebietswasserhaushalt wieder in einen guten Zustand überführt wird. Dann wäre so viel geschafft und wir würden die Bestände der Wiesenbrüter und die anderer Arten besser schützen!
Lage: Nordkreis Kleve, rechtsrheinisch, zwischen Emmerich und Rees nördlich der Autobahn A3 und der niederländischen Grenze gelegen. Das Gebiet gliedert sich in drei Teile: die nördlich der Autobahn liegenden Bereich des großen und kleinen Hetterbogens sowie das sich südöstlich anschließenden Millinger Bruch.
Größe: 660 Hektar, davon werden 140 Hektar betreut
Schutzstatus: Naturschutzgebiet, Teil des EU-Vogelschutzgebiets Unterer Niederrhein, FFH-Gebiet
Jahr der Ausweisung als Naturschutzgebiet: 1989
Landschaft und Naturraum: weite, offene Landschaft mit ausgedehnten Grünlandflächen unterschiedlicher Feuchte: Flutrasen, Feucht- und Nassweiden, artenreiche Feuchtwiesen, periodisch trocken fallende Kleingewässer (Blänken), wertvolle Feldgehölze und Kopfbäume im Kleinen Hetterbogen und Millinger Bruch
Einige seltene Pflanzenarten im Gebiet: Sumpfdotterblume, Wiesenmargerite, Kuckuckslichtnelke, Flammender Hahnenfuß, Sumpf-Schafgarbe, Röhriger Wasserfenchel, Sumpf-Sternmiere, Schild-Ehrenpreis, Froschbiss, Wasserfeder
Einige seltene Tierarten im Gebiet: Kampfläufer, Bekassine, Rotschenkel, Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Kiebitz, Sumpfschrecke
Ansprechpersonen: Susanne Klostermann, Katja Plumbaum (stv.)
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